Flagge zeigen für unsere Bienen
(Quelle: die biene – September 2008, Seite 2)
Kaum eine Tiergruppe wie die der Stechimmen (Hymenoptera, Aculenta) wird vom Menschen so ambivalent betrachtet – während die „fleißige Honigbiene“ geschätzt wird, ist die „hässliche Hornisse“ wegen ihrer angeblich tödlichen Stiche gefürchtet.

Außer ihrem Engagement für die Hautflügler (www.hymenoptera.de) hält Dr. Melanie von Orlow auch einige Bienenvölker
Die „plumpe Hummel“ wird gern im Garten gesehen: die „lästigen Wespen“ werden dahingegen mit Gift und Feuer bekämpft.
Doch der Blick in die Tiefe verrät, dass es selbst die beliebte Honigbiene schwer hat – denn schon lange hat sie den Status als Wildtier verloren. Die Varroamilbe, ein durch den Menschen weltweit verschleppter Parasit, macht ihr Überleben ohne imkerliche Pflege so gut wie unmöglich. Doch die Imker werden knapp – zwar wird Honig gern gegessen (rund 91.000 t werden in Deutschland pro Jahr verzehrt), aber ungern entsprechend bezahlt. Der Verbraucher greift bevorzugt zur preisgünstigen Importware beim Discounter, anstatt sich beim Imker vor Ort einzudecken. So trägt er dazu bei, dass die deutsche Imkerei heutzutage eine „brotlose Kunst“ geworden ist. Derzeit werden in Deutschland nur rund 22.000 t Honig pro Jahr geerntet. Doch nicht nur der Absatz des „flüssigen Goldes“ ist schwer geworden – auch seine Produktion.
Denn die moderne Landwirtschaft hat schon lange ihre Unschuld verloren. Über 1.139 verschiedene Pflanzenschutzmittel auf der Basis von 274 Wirkstoffen werden pro Jahr mit rund 35.000 Tonnen auf deutschen Äckern ausgebracht. Die Langzeitfolgen dieses „Feldversuches“ der chemischen Industrie sind noch nicht bekannt. Wie am Beispiel von DDT zu sehen, waren diese erst Jahrzehnte später nachzuweisen, als der Rückgang in der Vogelpopulation jedem Spaziergänger offensichtlich wurde. Schwer abbaubare Pestizide wie Imidacloprid oder Clothianidin könnten das DDT des 21. Jahrhunderts sein. Beide Wirkstoffe stehen in Zusammenhang mit ungewöhnlich hohen Verlusten an Bienenvölkern und lassen einen weitaus höhere Verlustrate bei Wildbienen, Schmetterlingen und anderen Blütenbesuchern befürchten. Dennoch wurde Clothianidin nur einen Monat, nachdem es nachweislich rund 12.000 Bienenvölker dahingerafft hatte, wieder zugelassen.
Das mysteriöse Bienenmassensterben in den USA („Colcny Collapse Disorder“), das regional bereits bis zu 90% der Bienenvölker vernichtet hat, wird immer wieder in Zusammenhang mit dem Pestizideinsatz ähnlicher Bauart gebracht – womöglich gehen die USA auch hier nur wieder ein paar Schritte voraus.
Die Gefährlichkeit für Honigbienen wird zumindest im Labortest überprüft – unberücksichtigt bleiben dabei jedoch die nahen Verwandten wie die Hummeln.
Bisher wurde stillschweigend hingenommen, dass die Ergebnisse der Tests an Bienen auch auf andere Blütenbesucher übertragbar seien – doch diese Annahme ist offenbar falsch. Bereits 1996 konnte gezeigt werden, dass bereits die normale Anwendung von einigen als bienengefährlich eingestuften Pestiziden für Hummeln toxisch war (Gretenkord, Dissertationsschrift 1996, Universität Bonn).
Bis heute werden diese Ergebnisse ignoriert; die Folgen sind bereits jetzt zu beobachten – von den einst über 30 Hummelarten sind die meisten bereits aus der Landschaft verschwunden. Dazu kommt die maschinelle Bearbeitung wie der Einsatz vom Kreiselmäher, der nach Untersuchungen an Weißkleefeldern in der Schweiz rund 9.000 bis 25.000 Honigbienen pro Hektar tötet.
Inzwischen wächst der Widerstand – Imker – demos gegen den Pestizideinsatz, Netzwerke und Projekte wie „Blühende Landschaft“ und „Lebensraum Brache“ setzen Zeichen gegen eine Industrie, die eine rücksichtslose Ertragsoptimierung in der Landwirtschaft zum Ziel hat – und dabei die wertvollsten Mitarbeiter schädigt: die sprichwörtlich fleißigen Bienen, deren Bestäubungsleistung sie zum ökonomisch wertvollsten Nutztier in Deutschland macht. Ein Umdenken zu gunsten dieser stillen Mitarbeiter ist erforderlich – bei der Industrie, den Landwirten wie auch beim Verbraucher.
Imkerinnen und Imker sind hierfür die geeignetsten und besten Fürsprecher. Engagieren Sie sich weiter, zeigen Sie weiterhin Flagge für unsere Bienen – damit Eltern auch morgen noch ihren Kindern von den Blumen und den Bienen erzählen können…
Dr. Melanie von Orlow, AG Hymenoptera – NABU Deutschland e.V.
Mehr erfahren Sie auf der Homepage www.hymenoptera.de