Tiere – hier geht es um die Honigbiene

Züchter und Forscher suchen nach der Honigbiene der Zukunft – sie muss vor allem der zerstörerischen Varroa-Milbe standhalten.

Die Bienen fliegen wieder, sie haben überlebt. Seit Tagen summen sie um ihre Stöcke am Rand des Wäldchens. Matthias Engel, Imker im hessischen Frankenberg, hat Glück gehabt. Nur 8 von seinen 120 Völkern sind im Winter zugrunde gegangen.Honigbiene
So eine Quote muss heute schon als Erfolg gelten. Die wenigsten Imker im Land kamen so glimpflich davon. Fast 30 Prozent der Bienenvölker haben es diesmal nicht ins Frühjahr geschafft.
Engel aber will sein Ergebnis noch verbessern. Seit Jahren züchtet der Jungimker Bienen besonderer Art. Er achtet dabei nicht nur auf Sammelfleiß und Sanftmut. Eine andere Eigenschaft wird immer wichtiger: Engels Völker sollen sich nicht so einfach ausrotten lassen.
Die Hauptschuld an den Verlusten trägt eine winzige Milbe namens Varroa destructor. Vor knapp vier Jahrzehnten wurde sie aus Asien eingeschleppt, inzwischen steckt sie praktisch in jedem Bienenstock.

Die Varroa-Milben befallen die Brutzellen der Honigbiene, dort saugen sie an den Larven und Puppen. Ihre Wirtstiere, wenn sie schlüpfen, sind oft schon verkümmert; in der Regel sterben sie früh. Auch erwachsenen Bienen setzen die Blutsauger zu: Durch die Einstiche im Chitinpanzer können allerhand Viren eindringen.
Viele Bienenvölker sind so stark belastet, dass nur Chemie sie retten kann; häufig bedunsten die Imker ihre Stöcke mit Ameisensäure. Der Milbe hat das bislang nicht groß geschadet. Deshalb sucht nicht nur Imker Engel nach Bienen, die aus eigener Kraft mit den Parasiten fertig werden.
„Die Zucht resistenter Stämme ist auf lange Sicht wohl das einzige Mittel“, sagt Ralph Büchler vom Bieneninstitut Kirchhain. Er koordiniert Experimente mit insgesamt 2000 Völkern. Jede Generation durchkämmt er nach möglichst robusten Brummern.
Am Länderinstitut für Bienenkunde bei Berlin spähen die Forscher auf der Suche nach milbenfesten Tieren mit Infrarotkameras in die Stöcke. Die Fahndung konzentriert sich auf Arbeitsbienen, die besonders gründliches Putzverhalten zeigen. „Manche Tiere erkennen offenbar, ob in der verschlossenen Brutzelle etwas nicht stimmt“, sagt Institutsleiter Kaspar Bienefeld. „Solche Zellen werden dann ausgeräumt.“ Damit unterbinden die Putzteufel die Fortpflanzung der Parasiten – bislang die wirksamste Gegenwehr.
Eine derart vorteilhafte Fertigkeit sollte sich eigentlich rasch in der Bienenwelt verbreiten. Wo natürliche Auslese herrscht, wären Bienen mit Hygienesinn klar überlegen. Aber diese Auslese gibt es kaum. Viele Imker setzen flächendeckend Chemikalien ein und bringen damit schwache wie starke Völker gleichermaßen über die Runden.
Dabei gibt es inzwischen Bienenstaaten, die den Milben dank natürlicher Auslese von selbst standhalten – einige in Südfrankreich, andere auf Inseln wie dem schwedischen Gotland in der Ostsee oder Texel vor der niederländischen Küste. Doch in imkerischer Hinsicht überzeugen die Überlebenskünstler noch nicht: Sie legen keine nennenswerten Honigvorräte an.
Den meisten Honig liefern nun einmal Bienen, die stark und ausdauernd brüten. Und eben das sind die Bedingungen, die auch die Varroa-Milbe schätzt. Besonders gemütlich hat sie es bei der klassischen Honigbiene (Apis mellifera). Deren Erbgut haben Generationen von Züchtern auf Friedfertigkeit und Honigfleiß optimiert.
Imker Engel will deshalb wieder mehr Vielfalt ins Erbgut bringen. Aus dem erweiterten Genpool, so hofft er, gehen auch Tiere hervor, die an das Leben mit dem Parasiten besser angepasst sind. Bei Engel dürfen sich deshalb die Königinnen mit vielerlei Drohnen paaren – aber stets unter Kontrolle des Züchters.
Das ist nicht einfach: Bienen paaren sich, wenn man sie lässt, kreuz und quer zwischen den Völkern. Nicht selten bringt eine Königin in ihrer Vorratstasche Spermienklümpchen von zwei Dutzend verschiedenen Drohnen mit nach Hause.
Auf der Suche nach einer Lösung stieß Engel auf ein altes, halb vergessenes Verfahren: die Mondscheinbegattung. Die Idee ist, dass nur erwünschte Partner sich im Luftraum begegnen. „Ich lasse Weibchen und Männchen erst in der Dämmerung fliegen“, sagt der Imker. Dann haben sie den Himmel für sich. Denn die anderen Bienen im Umkreis sitzen um diese Zeit längst wieder in ihren Stöcken.
So weit die Theorie. In der Praxis jedoch kann man eine Königin nicht einfach bis zum Abend einsperren. Die Arbeiterinnen dulden das nicht. Wenn Majestät sich bei gutem Paarungswetter nicht hinausbequemt, wird sie erbarmungslos gezwickt und gepiesackt.
„Deshalb bringe ich die Völker tagsüber in eine dunkle Kühlkammer“, sagt Engel. Die Bienen halten darin folgsam Nachtruhe. Erst gegen Abend, wenn es noch warm ist, kommen sie wieder ins Freie – und die Mondscheinbegattung kann beginnen.
Auch Engels Bienen brauchen noch Chemie. Aber inzwischen, versichert der Züchter, seien sie schon deutlich robuster. Andere Imker können Königinnen bei ihm bestellen. Er verschickt sie per Briefpost in je einem Plastikkäfig, zusammen mit einem Reisegesinde von zehn Arbeiterinnen.
Mit der Auslese hat aber auch Engel, wie alle Züchter, noch seine liebe Not. Manche Bienen geraten ihm allzu stechwütig. Andere schwärmen so gern, dass immer mal wieder das halbe Volk den Stock verlässt.
Wird den Züchtern je ein rundum erfreuliches Arbeitstier gelingen? „Milbenresistente Völker werden wir schon in wenigen Jahren haben“, sagt Bienenforscher Büchler. „Aber von Bienen, die den Imker auch wirtschaftlich zufriedenstellen, sind wir noch weit entfernt.“

Manfred Dworschak

Quelle: DER SPIEGEL 13/2015 S. 124 ‚

 

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen